Wann ist der richtige Zeitpunkt für das Trockenwerden?

Es gibt keine allgemeingültige Vorgabe, wann ein Kind trocken werden soll. Denn: Die Kontrolle über Blase und Stuhlgang ist ein Entwicklungsprozess, der von Kind zu Kind unterschiedlich schnell verläuft und von der individuellen Reifung im Gehirn abhängt. Das bewusste Wasserlassen und Stuhlentleeren ist somit nicht erlern- oder beeinflussbar.

Natürlich gibt es Kinder, die mit drei Jahren komplett windelfrei sind. Aber da gibt es auch solche, die mit sechs Jahren noch zeitweise eine Windel brauchen. Die Studien des Schweizer Kinderarztes Remo Largo haben gezeigt, dass in den 1960er-Jahren sogar 95 Prozent der Kinder bereits im ersten Lebensjahr trocken wurden. In den 1980er-Jahren waren es nur noch 85 Prozent der Kinder, und heute beginnen Eltern erst mit dem Sauberkeitstraining, wenn das Kind etwa 2,4 Jahre alt ist.

Internationalen Studien zufolge sind Kinder im Durchschnitt im Alter von 30 Monaten windelfrei. Mit etwa 28 Monaten sind sie tagsüber trocken und mit 33 Monaten auch in der Nacht. Da diese Werte auch die afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen (Natur-)Völker mit einbeziehen, die keine auslaufsicheren Windeln kennen oder verwenden möchten, können die tatsächlichen Zahlen von Kultur zu Kultur sehr stark variieren. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass 90 Prozent der Kinder kurz nach ihrem vierten Geburtstag die Kotabgabe und 80 bis 85 Prozent der Kinder bis zum vollendeten vierten Lebensjahr auch die Blasenentleerung bewusst steuern können.

Trockenwerden – Erziehung vs. natürlicher Entwicklungsprozess

Eltern lassen sich in der Erziehung leicht von der Meinung anderer Eltern verunsichern. Etwa dann, wenn sie lesen oder hören, dass Kinder anderer Eltern schon mit einem Jahr aufs Töpfchen gehen oder mit zwei Jahren komplett ohne Windeln auskommen. Sie geraten unter gesellschaftlichen Druck und fragen sich, ob sie nicht schon längst mit der Sauberkeitserziehung anfangen müssten.

Und: Derzeit geht der Trend tatsächlich in Richtung windelfreier Erziehung. Die Methode basiert darauf, die Signale des Kindes ganz genau zu studieren und rechtzeitig darauf zu reagieren, damit es sich nicht einnässt. Die Methode heißt in der Fachsprache „Elimination Communication“, auf Deutsch „Ausscheidungskommunikation“.

Jedes Kind soll mit einer gewissen Portion an Instinkten auf die Welt kommen, sodass sie von Natur aus auch eine volle Blase oder einen vollen Darm wahrnehmen können und machen sich mit bestimmten Signalen bemerkbar. Die folgenden Indizien können einzeln oder vermehrt auftreten, bevor ein Säugling die Blase oder den Darm entleert:

heftiges Strampeln oder Zappeln,

plötzliche Ruhe oder plötzliche Unruhe,

starkes Meckern,

Schreien/Kreischen,

Pusten oder Blubberblasen machen,

das Gesicht verziehen.

Oft begleiten Eltern den Ausscheidungsvorgang mit einem bestimmten Laut wie „Schhhhh“ oder „ps-ps-ps“. Vielen Eltern geht es nicht zuletzt darum, die Bedürfnisse des Kindes besser zu kennen, sondern auch den Umfang an Windelmüll zu reduzieren, um die Umwelt oder den Geldbeutel zu schonen.

Auch gibt es Kulturen, in denen es keine Windeln gibt oder die Verwendung von Einmalwindeln schlichtweg nicht üblich ist. Dort werden die Kleinen entweder von der Geburt an windelfrei erzogen oder schnell von Stoffwindeln entwöhnt. Die Bezugsperson übernimmt dabei die Aufgabe, es zeitig abzuhalten, sobald es seine Bedürfnisse mit den oben genannten Signalen zeigt. Das Aufschieben auf einen späteren Zeitpunkt ist jedoch nicht möglich, weil Säuglinge und jüngere Kinder die Ausscheidung noch nicht kontrollieren können. Gerade im Hinblick auf diese Kulturen gibt es Kindheitsforscher, die die körperliche Reife als Grundvoraussetzung für das Trockenwerden ablehnen – ihrer Meinung nach ist das eine Sache der Erziehung.

 

Druck ist kontraproduktiv

Medizinische Erkenntnisse bestätigen, dass Kinder erst mit etwa zweieinhalb Jahren das Gefühl von einer vollen Blase bewusst wahrnehmen können. Das Harnlassen oder Zurückhalten können sie wiederum erst dann steuern, wenn sie die äußeren Schließmuskeln sowie die Beckenbodenmuskulatur kontrolliert betätigen und anspannen können. Und das ist ein weiterer Reifungsprozess in der frühkindlichen Entwicklung, die niemand beeinflussen kann. Da ein Mensch den Darm wesentlich seltener entleeren muss als die Blase, setzt die Kontrolle über die Kotausscheidung auch schneller ein. Im dritten Lebensjahr muss ein Kind zwar seltener „Pipi machen“ als ein Säugling, doch beläuft sich die Harnabgabe immer noch auf etwa zehn Mal am Tag. Wer jedoch ständig das Kind abhält, um das Sauberkeitstraining zu beschleunigen, setzt das Kind und sich selbst nur unnötig unter Druck. Im schlimmsten Fall kann es sogar eine Angst vor dem Wasserlassen oder vor der Stuhlentleerung entwickeln, indem es den Harn- oder Stuhldrang unterdrückt und sich schließlich einnässt oder einkotet.

Zeit zum Trockenwerden

Die Bereitschaft für das „Trockenwerden“ ist aus medizinischer Sicht keine reine Erziehungssache, Eltern sollten bei diesem Thema lediglich auf die körperliche und mentale Reife des Kindes achten. Wann Kinder für die Sauberkeitserziehung bereit sind, zeigen sie ganz deutlich mit bestimmten Signalen. Dann ist auch der Zeitpunkt gekommen, dass sie mit der Unterstützung der Eltern trocken werden. Die ersten Hinweise treten in der Regel im zweiten oder dritten Lebensjahr auf. Wenn Eltern diese Signale übersehen und erst viel später mit dem Sauberkeitstraining beginnen, kann sich das Trockenwerden sehr schwierig gestalten, so Remo Largo. Folgende Hinweise sprechen dafür, dass Dein Kind bereit für das Trockenwerden ist:

  • Es interessiert sich für die Toilette und beobachtet, wie Eltern und ältere Geschwister sie benutzen.
  • Es ahmt die Großen nach und will sich auch auf die Toilette oder auf den Topf setzen.
  • Wenn es schon spricht, kann es mit „Pipi“ oder „Kacka“ verbal auf die volle Windel hinweisen.
  • Es nimmt den Druck der Blase oder des Darms wahr und wird nervös. Das erkennst Du daran, indem es seine Beine überkreuzt und oder mit den Füßen abwechselnd auf den Boden tippelt.
  • Es nickt, wenn die Eltern fragen, ob es „Pipi“ oder „Kacka“ machen muss.
  • Wenn die Windel in der Nacht oder tagsüber einen längeren Zeitraum über trocken bleibt, kann es höchstwahrscheinlich schon seinen Harn- und Stuhldrang kontrollieren.

So kannst Du Dein Kind beim Sauberwerden unterstützen

Um das Kind auf dem Weg, sauber zu werden, stressfrei zu begleiten, solltest Du es auf keinen Fall unter Druck setzen. Stattdessen kannst Du ihm spielerisch beibringen, dass es zuerst die Hose runterziehen und sich dann auf die Toilette oder aufs Töpfchen setzen muss. Erst dann kann es Wasser lassen oder den Darm entleeren. Ärgere Dich nicht, wenn das einmal nicht klappt. Sehe auch davon ab, das Kind in der Nacht aufzuwecken und es auf die Toilette zu bringen. Das beschleunigt den Prozess des Trockenwerdens nicht! Du kannst damit höchstens verhindern, dass das Bett eingenässt wird. Jedoch kannst Du das Töpfchen neben das Kinderbett stellen, um dem Kind den Gang zur „Toilette“ zu ersparen. Alternativ kannst Du auch das Licht im Bad brennen lassen. Und auch, wenn es einmal ganz ohne Windeln geklappt hat, solltest Du dennoch Ersatzkleidung mitnehmen. Schließlich kann es immer wieder vorkommen, dass die Hose einmal nass wird, etwa wenn das Kind müde ist, Angst hat oder vom Spiel abgelenkt ist – und das ist ganz normal. Kinder sollen auf keinen Fall für das Einnässen bestraft werden. Im Grunde gibt es keine bewährte Methode, um dem Kind die Windel abzugewöhnen. Das Beste, was Du für Dein Kind tun kannst, ist ihm viel Geduld zu schenken, es zu loben und für besonders große Fortschritte zu belohnen. Vielleicht kommt ja die Windelfee mit einem kleinen Geschenk vorbei, wenn z.B. der erste ganze Tag in der Kita ohne Windel gemeistert wurde.

Hilfsmittel für erfolgreiches Trockenwerden

Um dem Kind den Toilettengang zu erleichtern, empfiehlt sich die Anschaffung eines Töpfchens (am praktischsten mit herausnehmbarem Innentopf) oder einen Kinderaufsatz für die Toilette. Wichtig ist, dass Dein Kind sich darauf wohlfühlt. Der Aufsatz sollte auf jeden Fall sicher auf dem WC-Sitz angebracht sein, bevor Du es darauf setzt. Hilfreich ist auch ein Tritthocker, damit es sich selbstständig auf seinen Kinderaufsatz setzen kann. Töpfchen, Aufsatz und Hocker können auch als Set gekauft werden, z.B. hier.

In der Anfangsphase des Trockenwerdens kannst Du Deinem Kind in der Nacht ein Windelhöschen anziehen. Auch ist eine wasserdichte Matratzeneinlage sinnvoll, um die Matratze vor Nässe zu schützen. So sparst Du bei einem „Missgeschick“ viel Arbeit und bleibst sicher auch gelassener. Neben Wechselwäsche gehören in der ersten Zeit am besten auch Windelbeutel in die Handtasche. Wenn das große Geschäft dann einmal im Freien erledigt werden muss (und diese Erfahrung werden wir wohl alle machen), helfen diese Beutel mit der Spurenbeseitigung.